ExtraEnergy Test 4/2012: Ein Blick ins Testfeld I

Optik zuerst: Beim Design sind die Hersteller in diesem Test ganz auf Nummer sicher eingeschworen – so viele Grautöne, alles zwischen ocker, weiß und schwarz habe ich selten gesehen. Bis auf zwei Räder waren alle höchstens mit einigen Farbakzenten an ausgewählten Bauteilen gesegnet. Für meinen Geschmack wären ein paar mehr farbliche Akzente eine gute Sache – aber möglicherweise sind die Testräder nicht repräsentativ.

Nicht nur in der Nacht sind alle E-Räder grau, Foto: e-Rad Hafen

Antriebe, Qualität der Teile und Fahreingenschaften der Räder

Die meisten Räder fuhren sich gut, egal ob Frontler, Mittel- oder Heckmotor, nur wenige Räder schienen noch im Beta-Stadium zu sein. Nachdem im Herbst-Test sehr viele Mittelmotoren vertreten waren, war in diesem Ensemble die Verteilung von Vorderrad-, Hinterrad- und Mittelmotoren deutlich ausgeglichener. Neben den lautlosen Naben-Direktläufern von ION, dem etwas gedrosselt wirkenden BionX, Ultramotor und GreenMover waren auch wieder eine ganze Reihe Getriebemotoren dabei. Teils verfügten sogar diese über eine „gute“ Steuerung, teils wiesen sie wegen der Kombination mit Bewegungssensoren die typisch verzögerte Reaktion auf das Fahrverhalten des Fahrerenden auf. Das mag Geschmackssache sein, aus meiner Sicht stört es die Harmonie beim Fahren – das liegt nicht nur an der Verzögerung, sondern auch daran, dass ein Bewegungssensor-System die Motorleistung nicht oder kaum an die Leistung des Fahrers anpasst (mehr dazu hier).

Schaltungen

Bei den Schaltungen findet man große Unterschiede allerdings in der Mehrheit gute Qualität. Einige Räder mit Mittelmotor und Nexus-Nabenschaltung hakten an Steigungen, dieses Problem taucht allerdings vor allem bei nachlaufenden Motoren auf – und da hat das Sorgenkind aus dem letzten Test, der 36V-Panasonic Antrieb die Einstellung offenbar verbessert. Der Nachlauf wurde deutlich reduziert. Die Traumkombination NuVinci und Mittelmotor offenbarte aus meiner Sicht eine kleine Schwäche – die Daumenschaltung lässt sich unter Last teils nur sehr schwer verstellen (von Rad zu Rad unterschiedlich, mehr zum Thema NuVinci hier). Die größte Dynamik liefert eine gute Kettenschaltung kombiniert mit dem Boschantrieb (mehr zum Bosch hier) – nebenbei: Einige E-Räder sind mit Kettenschaltungen mit über 20 Gängen ausgestattet – aus meiner Sicht ist das für fast alle Anwendungen vollkommen übertrieben und stört eher. Eine gute 9-Gang XT würde ich jederzeit als sinnvoller erachten. Bei Vorderrad-Motoren stellt sich das Problem der hakenden Nabenschaltugen nicht so sehr, allerdings ist es auch hier ratsam eine gute Schaltung zu wählen, wenn einem schalten ohne Verzögerung wichtig ist.

Bremsen

Bei den Bremsen musste ich das eine oder andere Mal staunen, unter zahlreiche ausgezeichnete hydraulische Scheiben- und Felgenbremsen mischten sich einige Räder mit Rollenbremsen, diese hatten sehr unterschiedliche Qualität, einige erforderten erhebliche Handkraft zum Bremsen. Andere Räder hatten einen Rücktritt und (nur) eine Handbremse, das fühlte sich teils etwas gewagt an. Die Krönung war ein Rücktritt, der über eine Schubstange eine Rollenbremse betätigt. Krönung deshalb, weil sich diese Bremse unter längerer Last stark erhitzte und dann gar nicht mehr bremste! Mit der einsamen V-Brake am Vorderrad war das Abbremsen dann eine Zitterpartie! Also: Augen auf beim Bremsenkauf – ruhig mal eine lange Abfahrt runter fahren und sehen was die Bremsen mit Hitze anfangen.

Fazit

Trotz einiger Aureißer, man kann als e-Rad-Käufer_in bei den meisten Rädern beruhigt zu greifen, es gibt viele sehr gute Räder in fast jeder Fahrzeugklasse. Allerdings sollte man sich vorher etwas mit der Materie befassen, zum Thema Bremsen-Ausstattung, Schaltungen und Antriebe sollte man in etwa wissen, was man möchte. Informieren kann man sich bspw. hier im e-Rad Hafen oder mit einem der zahlreichen E-Rad Fachmagazine. So bekommt man eine Idee, was man fürs Geld erwarten kann und vermeidet mögliche Fehlkäufe. Selbstredent bleiben ausführliche Testfahrten absolute notwendig.

Wieder eine E-Rad Hafen Quizfrage

Warum hat der Bosch Antrieb einen „An und Aus“ Knopf am Akku (laut Aussage eines Bosch Mitarbeiters)?

Welches Antriebskonzept für E-Räder (Pedelecs) ist das beste?

Es gibt für Elektroräder drei gängige „Antriebskonzepte“, die sich darin unterscheiden, wo der Elektromotor untergebracht ist: Vorderradantrieb, Hinterradantrieb und Mittelmotor (der Motor sitzt mittig an der Kurbel).

Keine der drei Varianten ist eindeutig die beste. Alle haben Vor- und Nachteile. Wichtige Unterscheidungen sind, dass der Vorderradantrieb sich problemlos mit einer Rücktrittbremse kombinieren lässt. Es gibt aber auch Mittelmotoren, die eine Rücktrittbremse zulassen. Wer also unbedingt eine Rücktrittbremse möchte, ist bei der Wahl des Antriebs festgelegt – entweder ein Vorderradantrieb, oder ein Rad mit Mittelmotor der sich mit einer Rücktrittbremse kombinieren lässt.

Der Vorderradantrieb lässt sich auch mit allen Schaltungen kombinieren. Da Vorderradantriebe am leichtesten zu verbauen sind, sind die einfachsten E-Räder häufig damit ausgestattet. Mehr zu Frontantrieben:

Ein Hinterradantrieb kann in aller Regel nur mit einer Kettenschaltung, kombiniert werden (Hinterradantriebe sind häufig recht kräftig und arbeiten gleichmäßig), von BionX gab es eine Weile einen Antrieb mit einer im Motor integrierten drei-Gang Nabe, bspw. verbaut bei GRACE. Aie wird aber heute nicht mehr verwendet. Denkbar ist auch die Kombination mit einer Tretlagerschaltung wie der Pinion. Ein Vorteil des Heckantriebs ist, dass im Vorderrad ein Nabendynamo verbaut werden kann. Ein Rücktritt ist bisher nicht möglich. Mehr zu Heckantrieben:

Mittelmotoren sind aufwendiger, da sie einen speziellen Rahmen benötigen, die Aufnahme für den Motor muss bei den gängigsten Herstellern in der Nähe des Tretlagers vorgesehen sein. Ausnahme sind Antriebe, die auf die Tretlagerachse aufgesteckt werden (etwa Binova oder einige Nachrüstantriebe, wie der Sunstar). Deshalb sind Mittelmotoren in den unteren Preislagen selten vertreten. Ein Mittelmotor lässt sich mit allen gängigen Schaltungen außer Tretlagerschaltungen wie Pinion und einem Nabendynamo im Vorderrad verbauen (näheres auch unter Tipps zum Kauf hier).

Weitere Infos:

Unabhängig von der Art des Antriebs kommt es vor allem darauf an, wie harmonisch und direkt die Steuerung des Motors geregelt ist. Das hängt von der Sensorik mit der die Pedal-Bewegung registriert wird ab: Je direkter die Sensorik auf das Treten reagiert, desto weniger Verzögerung hat der Antrieb. Wichtig ist auch die Programmierung des Controllers, der die Motorsteuerung übernimmt. Ein gleichmäßig gesteuerter Motor fährt sich angenehmer, als einer, der ruckartig unterstützt und abbricht.

Sensorik und Controller-Steuerung sind Qualitätsmerkmale, die man am besten durch Probefahrten testet. Also vor dem Kauf unbedingt mehrere E-Räder, am besten mit unterschiedlichen Antrieben testen!

Mehr zur Sensorik von E-Rädern: Welcher Sensor ist der beste?

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