Die Debatte um die StVO Novelle wird unter Aktivist*innen und Verbänden heißt geführt und das Thema ist leider nicht ganz einfach zu erklären. Ich habe mich daher mit einigen Fachleuten unterhalten und versuche im Folgenden einen Überblick über die Novelle und die darin strittigen Punkte zu geben – vorab, ich bin kein Experte für die StVO, und das Thema ist durchaus komplex.
Der Ablauf bis heute
Zunächst hat das Bundesverkehrsministerium (BMVI) am 15. Juni die Verordnung 332/16 vorgeschlagen. Nach Stellungnahmen der Verbände ADFC, VCD und Co und ermutigender Diskussion auf der Länder Verkehrsminister-Konferenz (VMK) zu Tempo-30-Einsatzfällen auf Hauptstraßen gab es am 9. September diverse Änderungs-Vorschläge (hier nachzulesen). Der Bundesrat hat nun am 23. September folgendes beschlossen – dazu wurden übrigends die Verbände nicht mehr gehört. Wahrscheinlich Ende Oktober wird die Änderung dann veröffentlicht und damit rechtskräftig.
Nur wenige der guten Vorschläge haben im Beschluss Bestand – eine minimale Vereinfachung bei der Anordnung von Tempo 30 Zonen etwa. Der Wunsch nach Vereinfachung für die Anordnung bzw. Verbindung streckenbezogener Tempolimits (etwa zum Lärmschutz) wurde nicht übernommen, zahlreiche verwaltungsinternen Konflikten gehen daher wohl weiter. Auch Erleichterungen der Fahrbahnquerung-, sowie verständliche Vorragnsregelungen für Fußgänger*innen wurden nicht beschlossen. Damit hat die Novelle viel Potenzial verspielt.
Dafür ist nun ein E-Bike (mit Gasgriff bis 25km/h) rechtlich definiert und es gibt ein extra Zeichen dafür. Diese Fahrzeugkategorie ist allerdings de facto völlig unbedeutend. Das wichtigere Thema S-Pedelecs und die Frage ob und welche Radanlagen sie nutzen dürfen, wurde dagegen nicht angegangen. Auch bei den Regelungen zu Kindern und Radwegnutzung ist die Regelung unbefriedigend, wenn auch etwas besser als die bisherige separate Führung von Kind (Gehweg) und Erwachsene (Fahrbahn). Kinder dürfen nun in Elternbegleitung fahren, aber nicht mit auf der Fahrbahn, was sachgerecht wäre, sondern auf dem Gehweg, oder wenn vorhanden auf separat gebauten Radwegen, was wahrscheinlich nicht weniger gefährlich ist. Der Verein FUSS e.V. kritisiert das ganz explizit.
Ob Radwegbenutzungspflicht nun wieder häufiger eingeführt wird, wie einige befürchten, hängt wohl von der VwV-StVo ab (Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung). Diese könnte man auch an die relativ hohen ERA-Standards koppeln, wie in Baden-Württemberg. Aber das scheint auf Bundesbene leider nicht sehr wahrscheinlich. Die VwV ist jedenfalls seitens des BMVI nicht so schnell zu erwarten.
Es war offensichtlich im Interesse vieler Bundesländer, die so genannte Radwegprüfung zumindest außerorts so ändern, das weniger Angriffsfläche für Klagen von Verbänden gegen Benutzungspflicht gegeben ist (hier könnten die hohen Geschwidigkeitsdifferenzen, aber auch die Problematik, dass in einigen Ländern Probleme entstehen, wenn Gelder für nicht benutzungspflichtige Radwege ausgegeben werden Gründe sein). Das könnte sich als bittere Pille erweisen, wenn es nicht gelingt, dass Benutzungspflicht eben nur bei ausreichend breiten und gut in Schuss gehaltenen Radwegen angeordent wird.
Die Novelle ist nach meinem Verständnis insgesamt, betrachtet, also auch für Tempo 30 und Fußverkehr vor allem eins: Enttäuschend. Sie bringt wenig Fortschritt, sie ist nicht vereinfachend und wegen fehlender VwV-Grundlage bezüglich der Folgen noch schwer zu beurteilen. Aber ist sie fahrradpolitisch ein Rückschritt? In einigen Diskussionen wird der ADFC sehr harsch kritisiert und die Novelle wird als Bärendienst und Riesenproblem für den Radverkehr kommentiert, einige rufen zum Austritt aus dem ADFC auf. Der ADFC selbst dagegen stellt die Novelle als Erfolg dar und betont seine Mitarbeit daran.
Beide Sichtweisen auf die radpolitische Auswirkungen – Erfolg und krasser Rückschritt – wirken auf mich in Anbetracht der Sachlage nicht überzeugend. Andere Verbände wie der VCD, bei dem ich aktiv bin, diskutieren noch lebhaft intern, um eine Position zu finden, was in Anbetracht der angeheizten Stimmung gar nicht so einfach ist.
Was heißt das für die Radfahrenden und die politische Debatte?
Die Diskussion zeigt: Die Aufteilung der Radfahrenden in zwei Lager ist weiter im Gange, es herrscht vielerorts Polarisierung, zumindest unter Expert*innen. Von außen verstehen nur wenige die Diskussion, weil sie recht schwer vermittelbar ist. Salopp beschrieben:
- Das Lager mit den emanzipatorischen Radfahrer*innen und Aktivist*innen. Mit Fokus des „Rechts auf Straße“ (genauer: Nutzung der Fahrbahn). Dieses Lager klagt seit Jahrzehnten vor allem gegen fahrradfeindliche Radwegbenutzungspflicht (d.h. Fahrbahnverbot), meist erfolgreich. Dafür gilt es aber als kinder- und familienfeindlich, weil die subjektive Verkehrssicherheit ausgeblendet wird. Viele Menschen fühlen sich im dichten Kfz Verkehr einfach nicht wohl und fahren daher trotz „Recht auf Straße“ nicht Fahrrad
- Dem neuen Lager, das die subjektive Sicht von Fahrradnutzenden und Kommunalpolitik einnimmt, kritisch mit Schutzstreifen umgeht und separierte Infrastruktur fordert – auch wenn der Platz dazu meist (noch) fehlt. Und das auch weniger Problem hat, unter Umständen, wei bei der Regelung „Eltern und Kinder auf dem Gehweg“ gegen Fußgängerinteressen zu agieren.
Ich finde die Spaltungstendenz, die ich im Übrigen in der Fahrradszene insgesamt beobachte und die sich daher nicht auf den ADFC beschränkt, bedauerlich. Ich denke, das ist der eigentliche Bärendienst für den Radverkehr. Sie schwächt die Akteure, die an einer ökologischen, sozialverträglichen Verkehrswende mitarbeiten. Prinzipiell finde ich gut, dass der ADFC auf Bundesebene politisch mehr auftritt und fordert, sich beispielsweise klar für Tempo 30 innerorts als Regelgeschwindigkeit ausspricht. Allerdings wird es in der kommunalen Praxis oft keine gute separate Infrastruktur geben, die dem Umweltverbund nicht schadet, wenn nicht zuerst oder parallel deutlich Platz von den Autos weggenommen wird und das ist nicht gesichert. Nur dann funktioniert meines Erachtens das, was Lager 2 möchte.
Aber darum zu kämpfen, dass man schlechte Radwege nicht nutzen muss und den Mischverkehr als richtig und erstrebenswert darzustellen, obwohl eben viele, wohl die meisten, dann nicht Radfahren, kann auf Dauer auch nicht die Lösung sein. Denn für die nötige Verkehrswende braucht es massiv mehr Radverkehr, müssen viele Leute, die sich jetzt nicht sicher fühlen, Radfahren. Es muss mehr ÖPNV und ganz deutlich weniger privaten MIV geben. Der MIV muss ruhend und fließend benachteiligt werden. Da sind Städte wie Groningen oder Kopenhagen Vorbilder, aber auch die spanische Stadt Vitoria-Gasteiz. Ich denke, in dem Bereich ist auch der angestrebte Volksentscheid in Berlin ein interessantes Beispiel, weil er einen wirklich grundlegenden Wandel fordert – nämlich das eine: Mehr gute Radwege, ohne ÖPNV und Fußverkehr zu schaden und das andere: Benachteiligung des Kfz-Verkehrs.
Doch weg von der Grundsatzdebatte und zurück zur Novelle – nüchtern gesehen ist doch die Frage:
Welche Nachteile und Vorteile bringt sie? Also: Ist es anzunehmen, dass reihenweise innerorts Benutzungspflicht angeordnet wird, wo die Radstreifen gefährlich sind, zum Beispiel weil zu sie zu schmal sind? Und vereinfacht es andersherum den Kommunen wirklich den Bau von separten guten Radanlagen, wie der ADFC sagt? Der bezieht sich darauf, dass bisher für einen separaten Radweg eine besondere Gefahrenlage nachgewiesen werden muss, was sehr aufwendig ist (genaueres unter anderem in diesem Radiointerview mit Roland Huhn Rechtsexperte vom ADFC Bundesverband) Oder stimmt der Grundsatz „Ein guter Radweg braucht keine Benutzungspflicht?“, das heißt eine Kommune kann schon jetzt gute Radinfrastruktur bauen, auch auf Kosten des Platzes für Kfz. Vertreter dieser Ansicht weisen beispielsweise darauf hin, dass man statt Radspur einen so genannten Seitenstreifen einführen kann. Der hat die Vorteile eines Radstreifens, sofern man darauf ein Parkverbot anordnet. Benutzungspflicht gibt es dann nicht. Allerdings ist die Einrichtung eines Seitenstreifens innerorts eventuell juristisch angreifbar (zu den Unterschieden zwischen Radstreifen, Radweg, Schutzstreifen und Seitenstreifen einen Übersicht auf der Webseite von Bernd Sluka, Landesvorstizender des VCD Bayer).
Bei diesem Punkt gehen die Expertenmeinungen also auseinander. Heinrich Strößenreuther vom Volksentscheid Fahrrad sagt beispielsweise, dass die Novelle absolut notwendig ist, damit das Berliner Radgesetz zulässig ist. Er bezieht sich dabei auf ebenfalls auf Roland Huhn vom ADFC. Ohne die Novelle ist laut Strößenreuther ungewiss, ob ein Volksentscheid separaten Radanlagen per Gesetz erzwingen kann.
Außerorts wird vom Bundesrat argumentiert, dass Tempo 100 die Regel ist und dass es dann zu gefährlich ist, auf der Fahrbahn Rad zu fahren. Das ist empirisch, so weit ich weiß, zumindest strittig, aber es werden viele zustimmen, dass es Stress verursacht, wenn man mehrmals pro Minute von Kfz mit Tempo 100 überholt wird und dass mögliche Unfälle schnell schwere Folgen haben können. Aber die Formulierung ist sehr allgemein und die Frage drängt sich auf – gibt es nicht häufig Strecken, wenig befahrene Kreisstraßen zum Beispiel, auf denen deutlich unter 100, bspw. 70 km/h gefahren wird? Auf denen es dann für schnellere Radfahrende besser ist, auf der Fahrbahn statt auf einem, vielleicht von touristischer Nutzung überfüllten, oder in schlechtem Zustand befindlichen zwei Richtungsradweg zu fahren? Und ist nicht daher die Benutzungspflicht in vielen Fällen ein klarer Nachteil? Und worin besteht überhaupt der Vorteil der Novelle, wenn es um Radwege außerorts geht? Darin, dass die Verwaltung verbieten kann, dass Radfahrende auf Fahrbahnen mit schnellem Kfz Verkehr fahren, statt die Radfahrenden das selbst entscheiden zu lassen? Könnte sein.
Besonders zu den Fragen in den beiden letzten Absätzen würde mich Eure Meinung sehr interessieren.
Viele Grüße
Wasilis von Rauch
Dieser Artikel verdient eigentlich ein Update, nachdem nun endlich die höheren Bußgelder beschlossen wurden, oder ist dieses Blog eingeschlafen?
Es ist wie mit allem. Wir brauchen Gesetze um uns richtig zu verstehen und zu respektieren. Wir spielen Gemeinschaft leider nur noch auf Facebook und Co. Denkt mal bitte nach, wer diese Gesetze macht und verabschiedet. Speziell zu Themen, wie die Stärkung der Fahrradmobilität fallen mir im Moment starke Repressionen von fahrradelnden Mitbürgern gegen Fußgängern auf. Wer hat nicht schon mal Fußgänger aufmerksam gemacht, dass ex sich doch um den Fahrradweg handelt. Außerdem gilt es noch zu bedenken, dass eine ganze Menge notwendiger Steuereinnahmen für den Umbau des Gesamtverkehr, derzeit ausschließlich aus dem Bereich der PKW/LKW mit fossil getriebenen Antrieben stammt. Wir sind dabei eine gute Sache zu zerreden und rennen wieder hinter unsinnigen, populistischen Aussagen her, anstatt unserem Willen mit Verstand wirklichen Ausdruck zu verleihen.
E-Bikes gehört die Zukunft. Gesetz hin oder her, welch Polizist stellt sich im Wald auf um zu Kontrollieren wie schnell die Dinger sind?!
Stimmt, das Rafahrerlager spaltet sich einerseits in Kampfradlerinnen (wo kommt political correct denn nun das i oder Sternchen hin, sorry weiß ich nicht), zu erkennen an Gesten, Kleidung, Tempo, Fahrverhalten: Die Straße gehört mir und nicht den automobilen Giftschleudern! Und in den langsameren Rest, der keine Lust hat, sich als Lemming-Masse zum politisch correcten Behindern des Autoverkehres auf die Straße drängen zu lassen und der sich nicht „lieber von Fahrertüren statt von Beifahrertüren“ vom Rad holen lassen möchten. Aber egal wie dieser Streit ausgeht, es ist das berühmte „Hornberger Schießen“, nämlich ergebnislos für die Verkehrssicherheit, solange nicht eines dazu kommt, was wiederum völlig political incorrect ist: Mehr Polizei und Abschleppwagen auf die Straßen, die jegliches Zuparken von Radwegen, Fahrradstreifen, Busspuren oder das In-Zweiter-Reihe-Parken konsequent und mit aller Härte des Gesetzes sofort beendet. Dazu gehört auch, unseren wenig Fahrrad- aber sehr Mercedes/BMW-begeisterten Zuwanderern und Diplomaten in den Bezirken mit hohem Migrationsanteil die deutschen Regeln beizubringen. Auf der Fahrraddemo 2017 in Berlin habe ich keinen einzigen Ali oder Mohammed auf dem Rad fahren sehen, aber gerne per tiefergelegtem schwarzen BMW die Demo unerlaubt queren, ist doch schließlich ihr Bezirk. Sorry für diese letzte Incorrectheit, liebe grüne Radler*I/n(nen), aber ist die Realität draußen auf den Straßen.
Meine Frau,mein Sohn und ich fahren seit 7 Jahren City-Ebike von Prophete,Sonderpreis damals 699 Euro.Bei diesen Rädern war bisher alles Perfekt.Service von Si,Qualität und Zuverlässigkeit.Von den 6 TRIO-AKKus wurden erst 2Stück ausgetauscht.Ersatzteile sind 1 Tag später an Ort und Stelle.Mein Nachbar hat ein Flyer-E-Bike ,Kostenpunkt 3.500 Euro ohne Ersatzakku und ohne Rücktritt.Er will es einfach nicht glauben,dass wir zu diesem Preis eine derart gute Qualität bekamen.Wir haben uns schon oft bei der Fa. Prophete,einfach so aus Freude am Artikel, bedankt.Erhard Gasteier
Das Problem von Gruppe 2 ist doch vor allem, dass deren oberster Vertreter (ADFC-Bundesgeschäftsführer) neuerdings behauptet, dass breite, schöne Radwege oder Protected Bike-Lanes angeblich kein Sicherheitsproblem an Einmündungen haben. Dass es also keine Diskrepanz mehr zwischen gefühlter und objektiver Sicherheit gäbe. Genaus das bringt die Gruppe 1 auf die Palme, weil es als posfaktisch erlebt wird.
Wenn man dann noch in der ADFC-Radwelt Bilder aus Chicago sieht, wo Protected Bike-Lanes hinter Buswartehallen und parkenden Autos verdeckt geführt werden (was nachweislich die Unfallgefahren erhöht), dann merkt man, dass es dem ADFC-Bundesverband nicht um gute neue Radstreifen geht, sondern dass man für die Trennung von Rad- und Autoverkehr jede Kröte schluckt und wir am Ende wieder gefährliche, schmale Radwege hinter parkenden Autos bekommen – dieses mal dann halt auf Fahrbahnniveau als auf Gehwegniveau. Die Details sind den Strategen in Berlin nämlich reichlich egal, sonst hätten sie zumindest für die Radwelt Bilder ausgesucht, wo man die baulichen Defizite aus Chicago nicht sieht.
Viel dramatischer ist aber dass Burckhard Storck an jeder noch so unmöglichen Stelle beschreibt, dass das Radfahren in Deutschland gefährlich, ja eigentlich unmöglich sei, weil es keine flächendeckende seperierte Infrastruktur gibt. In dieser Presseerklärung wird sogar das Elterntaxi gutgeredet, weil das Radfahren ja zu gefährlich sei für Kinder:
http://www.adfc.de/presse/pressemitteilungen/stvo-novelle-kinder-duerfen-auf-radwegen-fahren–adfc-familienfreundliche-rad-infrastruktur-fehlt-
Er sagt dies zwar mit der Intention, dass er „gute“ Radwege bekommt, aber die Hauptbotschaft in der Bevölkerung ist: „Radfahren ist gefährlich, lasst es die 30 Jahre sein, bis wir eine völlig neue Infrastruktur haben“, was dazu führt, dass das Sicherheitsgefühl beim Radfahren in der Bevölkerung mehr und mehr zurückgeht, obwohl die Anzahl an getrennter Infrastruktur in Deutschland noch nie so hoch war, es noch nie so viel Verkehrsberuhigung gab und die Unfallzahlen auch noch nie so gering waren. Der ADFC-Bundesverband redet also seit Antritt von Storck das Radfahren gefährlich und trägt dazu bei, dass nicht mehr, sondern weniger Personen Rad fahren und Radfahren etwas für Starke und Mutige sei. Oder glaubt irgendwer, dass in den 80ern (wo es weniger Radwege gab) jemand geglaubt hätte, man müsse zum Radfahren in Deutschland „Strong and Fearless“ sein? Storck importiert Ängste aus den USA und Großbritanien und erkennt nicht, dass Deutschland eine Nation ist, wo Radfahren in der Breite der Bevölkerung verankert ist (auch wenn das Rad nicht so oft genutzt wird, was bedauerlich ist). Er redet auch sonst alles, was in Deutschland passiert, schlecht, lässt sich vom Ausland blenden, wo man oft über Modellprojekte auch nicht hinaus kommt und das sorgt für ein schlechtes Klima im ADFC und bei den Radfahrenden.
Das Problem dabei ist auch, dass er Bilder generiert, dass Radfahren keine Verkehrsteilnahme und damit auch keine Rücksicht und interaktion mehr bedarf, wenn die Infrastruktur gut ist. Er schafft Erwartungen, die sich nicht erfüllen lassen, so dass Radfahren in der Realität zwangsläufig negativer erlebt wird. Auch das führt zu weniger Radverkehr. Ich kann Wasilis von Rauch nur empfehlen, sich mit Ranier Monheim oder Albert Heresthal über das Thema zu unterhalten. Monheim hat wiederholt dem ADFC empfohlen, Debatten über schlechte Infrastruktur in den Hinterzimmern der Rathäuser zu führen, aber niemals das mit der Bevölkerung zu debattieren. Wer mehr Radverkehr haben will, muss die öffentliche Botschaft vertreten: Radfahren ist schon heute möglich, macht schon heute glücklich, hält Gesund und ist auch heute schon die beste Art, sich zu bewegen. So bringt man Menschen aufs Rad und nicht mit Debatten über die Infrastruktur.
„In dieser Presseerklärung wird sogar das Elterntaxi gutgeredet“
Nein, so kann man den betreffenden Satz nicht interpretieren. Ansonsten meine ich, dass die Kritik an Storck überzogen ist.
Ich bin tendenziell ein Befürworter von Shared Space. Die subjektive Sicherheit wird auch zur realen Sicherheit, wenn man in die Niederlande und nach Dänemark schaut. Allerdings gibt es dort auch spezielle Fahrrad-Highways, was nicht so oft bei uns vorkommt.
Aber man muss pragmatisch sein. In meiner Stadt wie Tübingen hat man teilweise Shared Spaces aufgelöst, was schlecht war. Die Autos nutzen im Stau den Fahrradstreifen jetzt mit. Andererseits haben wir wenig Platz und müssen eben Kompromisse machen. Da muss dann aber wie in Dänemark mit einem großen blauen Streifen hingewiesen werden.
Insgesamt fehlt den Autofahrern noch eine gewisse Kultur, auf Fahrradfahrer zu achten. Das ist in der Niederlande, Belgien, Dänemark anders. Es muss klar sein, dass Autofahrer Schutzsstreifen nicht einfach überfahren. Dafür muss es halt zur Not Bußgelder geben. Das ist aber eher ein jahrelanger Prozess.
Wo möglich, sollte man eigene Fahrradhighways errichten, ist teuer, aber entweder wir werden halt mal ein ökologisches Land oder nicht. Ich will es jedenfalls politisch.
Puhh ein schwieriges Thema! Ich bin selber überzeugter Radfahrer auf der Fahrbahn und ich finde das echt schade, dass deshalb eine so gespaltene Meinung ist. Ich finde die Radfahrer*innen sollten sich wieder einen.
Das ist doch wieder nur irgend eine Regelung. Ich versteh die ganze Debatte nicht , warum macht man dort Probleme wo eigentlich keine sind?! Im Endeffekt sieht es doch so aus, die Automobilindustrie wird gefördert und deren utopische Lügen gestützt. Es geht hier meiner Meinung nach nur um Augenmalerei und so tun als ob man sich um irgend etwas kümmert aber im Endeffekt die falschen darunter leiden. Auf den Punkt gebracht ist doch Fakt, dass die Radfahrer die einzigen sind die sich anscheinend irgendwelche Gedanken, um das große ganze machen, wenn auch indirekt. Dieses gegeneinander aufhetzen hat irgendwo seinen Ursprung, aber wenn man eine Fraktion auseinander teilt, dann schwächt man sie und das geschieht hier offensichtlich. Wie soll man als Gruppierung gegen etwas vorgehen, wenn innere Streitereien das Gesamtgefüge schwächen. Vor allem wird man nicht mehr ernst genommen, weil man keine klare gemeinsame Linie verfolgt! Radfahrer, egal welche Philosophie diese teilen, solange diese vertretbar ist, sollten zusammen halten und auch nach außen hin Stärke und Einheit zeigen.
LG und weiter so.
AleyKey
„Ich finde die Spaltungstendenz, die ich im Übrigen in der Fahrradszene insgesamt beobachte und die sich daher nicht auf den ADFC beschränkt, bedauerlich. Ich denke, das ist der eigentliche Bärendienst für den Radverkehr.“
Sehr richtig!
Die Spaltungstendenz beobachte ich übrigens auch, gerade in letzter Zeit ist mir das anhand von etwa Diskussionen (jüngst mit Roger Eichler) bewusst geworden. Ich rechne mich Lager 2 zu, vor allen Dingen, weil es mir um „Safety by Numbers“ geht.
Zu der Frage im letzten Absatz:
Zu allen Sätzen einverstanden. Ich ergänze, dass ich mir nicht sicher bin, ob es für den Neubau von außerörtlichen Nebenanlagen förderlich ist, wenn es eine Radwegebenutzungspflicht gibt. Es liegt nahe, dies zu bejahen, weil Politiker nicht geneigt sind, Nebenanlagen neu zu planen, wenn man nicht sicher sein kann, dass die Radler tatsächlich davon Gebrauch machen würden. Ohne Radwegebenutzungspflicht könnten die Behörden notwendige Sanierungen bei bestehenden Radwegen sein lassen, befürchte ich. Aber… neuerdings kommt mir in den Sinn, dass Gerade die Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht dazu führen kann, dass mehr Druck zum Sanieren aufgebaut wird, wenn viele Radfahrer die Straße statt einen schlechten Radweg benutzen.
Im Augenblick tendiere ich nach der Auffassung, dass die Aufhebung einen Qualitätsschub bestehender Radwege auslösen könnte. Das funktioniert aber nur bei Strecken, die bereits intensiv von Radlern befahren werden. Und das ist relativ selten, denke ich.
Die Tatsache, dass der Bundesrat nun eine automatische Radwegebenutzungspflicht für außerörtliche Radwege beschlossen hat, kann man auch interpretieren als motiviert durch den Wunsch, Sanierungskosten einsparen zu können. Denn wenn man quasi gezwungen ist, Radler durch gebotene Qualität freiwillig auf die Radwege zu locken, wird man eher Mittel für Sanierungen bereitstellen. Nur sehe ich diese Motivation nicht, schlicht und einfach, weil es vielfach zu wenige Radler gibt, die den sanften Druck aufbauen würden.
Ich denke, es gibt nicht die eine Radverkehrsanlage, die für alle Radfahrer „richtig“ ist. Das lässt sich relativ leicht feststellen, wenn man dieselben Straßen einmal mit 35 km/h und einmal mit 18 km/h fährt.
Bei 35 km/h sind die Bremswege so lang, dass nur sehr spezielle Radwege die nötige Übersicht an Kreuzungen und den nötigen Abstand von Fußgängern und parkenden Autos bieten könnten. Drängelei auf der Fahrbahn dagegen ist da kein großes Thema mehr und wird auch mit jedem zusätzlichen km/h noch weniger. Bei 18 km/h ist es eher andersherum, Ausweichen und Bremsen ist selbst auf den üblichen Hochbordradwegen kein Problem, aber auf der Fahrbahn ist es stressig. Pendler liegen nach meiner Beobachtung irgendwo dazwischen, mit Kindern im Anhänger oder auf eigenem Rad sind sie auch noch langsamer. Statistiken und Umfragen dazu kann ich zugegebenermaßen nicht vorweisen, das sind nur Beobachtungen aus dem Arbeitsweg (schnell), Fahrten mit der Familie (langsam) und Urlaubstouren (irgendwo dazwischen).
Das heißt aber nicht, dass die Bedürfnisse der einen „Fraktion“ falsch sind und die der anderen richtig – oder dass man überhaupt Fraktionen bilden kann. Es fragt ja auch niemand, warum man so selten Traktoren auf der Autobahn sieht oder warum ein Ferrari-Fahrer was gegen Waldwege hat. (Mal hypothetisch: Welcher dieser beiden Wege wäre denn besser, um möglichst viele Leute zum Autofahren zu bewegen?) Der eine Radfahrer will eben im Büroanzug zur Arbeit fahren und deshalb weder schwitzen noch die Hose nassspritzen lassen, und der andere hat 20km Arbeitsweg und würde sich ins Auto setzen, wenn er mit dem Fahrrad 1,5h für die Strecke bräuchte. Und dann gibt’s ja auch noch Freizeitfahrten…
Die Aufhebung der Benutzungspflicht ist meiner Meinung nach viel wichtiger als ein Kleinkrieg darum, was für Voraussetzungen genau nötig sind, um Radwege oder -streifen anzulegen. Auch wenn das immer wieder so dargestellt wird, ist die Aufhebung einer Benutzungspflicht NICHT gleichbedeutend mit der Aufhebung einer Benutzungserlaubnis! Dass das funktionieren kann, habe ich jetzt schon in Berlin und in München erlebt – da organisiert sich das von allein je nach Auslastung der Fahrbahn und nach Geschwindigkeit der Radfahrer. Ein paar Ausnahmen waren allerdings dabei, hauptsächlich als Schnellfahrer (Zuschnellfahrer) auf dem Radweg.
Hallo Zusammen,
Der Beitrag trifft meiner Mainung nach den Kern. Ich bin z.B selbst Fahrradpendler und fahre alleine meist > 30km/h –> lieber auf der Fahrbahn. Allerdings bin ich auch Papa und wenn mit Familie unterwegs erheblich langsamer (ca 15 km/h) und bevorzugt auf dem Radweg.
Daher bin ich für gute Radwege aber gegen die Pfilcht diese zu benutzen.
Besonders solche die Radfahrer komplet ausbremsen oder im Nirvana enden, bzw alle paar Meter bei Einmündungen derart verschwenkt werden, dass ausfahrende PKW gar keine andere Möglchkeit haben als auf dem Radweg zu stehen, sollte man ignoriegen dürfen. Auch haben Rennradler nichts auf Rad/ Fußwegen außerhalb geschlossener Ortschaften verloren. Es ist ja auch kaum nachvollziehbar, dass S Pedelek Fahrer niemals auf Radwege dürfen weil sie viel zu schnell sind, und Rennradler natürlich niemals auf der Fahrbahn fahren dürfen.
Wer in verfassungswidriger Weise die rechtsstaatliche Zuordnung von Gefahren zu Gefährdern leugnet, und zulässige Höchstgewindigkeiten von 70 oder 100 km/h mit der situativ zulässigen Geschwindigkeit verwechselt, begibt sich in Gemeinschaft mit Totschlägern im Wartestand, und sollte durch Führerscheinentzug vom Kraftfahren abgehalten werden, bis sichere selbstfahrende Fahrzeuge verfügbar sind.
Die Spaltung geht von denen aus, die den Radfahrern das Fahren auf der
Fahrbahn verbieten wollen, und dafuer die Gruppe 2 vorschieben, die
durch das Verbot des Radfahrens auf der Fahrbahn aber nicht im
geringsten bessergestellt werden, zumindest nicht beim Radfahren.
Der Beitrag behauptet auch „für die nötige Verkehrswende braucht es
massiv mehr Radverkehr“. Braucht es das? Der motorisierte Verkehr
ist in den genannten Staedten Groningen (44%), Kopenhagen (33%) und
auch Vitoria-Gasteiz (25%) deutlich hoeher als in Paris (17%) mit
seinen 3% Radverkehrsanteil (Daten aus
http://www.epomm.eu/tems/); diese These kann man also als
widerlegt betrachten.
Abgesehen davon ist es hoechst zweifelhaft, dass mehr
benutzungspflichtige Radwege zu massiv mehr Radverkehr fuehren, und
wenn ueberhaupt, dann eher zu Lasten des Fussverkehrs und vielleicht
des OePNV und eher zugunsten des motorisierten Verkehrs. Der hat ja
dadurch „vom Radfahrer freie, sichere Bahn“. Wenn Wasilis von Rauch
tatsaechlich den MIV auch fliessend benachteiligen will, dann muss er
gegen die Radwegbenutzungspflicht sein, denn die dient nur dem
einzigen Zweck, den MIV fliessen zu lassen (zumindest solange er nicht
abbiegt).
Hallo Anton,
naja, deine Argumentation stimmt halt einfach nicht:
1. Mehr Radverkehr als Notwendigkeit für die Verkehrswende: Sowohl Groningen als auch Kopenhagen und inzwischen auch Paris setzen auf den Radverkehr als zentrales Element für funktionierenden innerstädtischen Verkehr. Auch Vitoria, dort ist der Radanteil in drei Jahren nahezu verdoppelt worden. Seit 2003 wurde er sogar vervierfacht. Ich halte einen hohen Radverkehrsanteil für unverzichtbar für eine ökologische Verkehrswende, aber allein das reicht auch nicht aus – Groningen oder Kopenhagen haben aus meiner Sicht immer noch zu viel MIV, auch dort muss noch eine Menge passieren.
2. Die Verbindung: „Mehr Benutzungspflicht = mehr Radverkehr“ hat glaube ich niemand behauptet. Wenn, dann die Verbindung „mehr gute Infrastrktur = mehr Radverkehr“. Das ist schon ein wichtiger Unterschied. Ich finde radfahren auf der Fahrbahn super und mache das selbst auch in den meisten Fällen. Aber ich habe nicht so viel Sympathie dafür, das Ziel „MIV verlangsamen“ mit dem Mittel „Radfahrende als lebende Bremsen auf der Fahrbahn“ zu erreichen, so wie du das andeutest. Warum sollen Radfahrende lebende Bremse für Autos sein? Wenn man den fließenden MIV-Verkehr benachteiligen will, dann gibt es eine Hand voll anderer Möglichkeiten – beispielsweise, ihn nich mehr überall durchfahren zu lassen und die Wege dadurch länger zu machen (siehe u.a. Groningen), vernünftige Tempolimits einführen und kontrollieren sowie Verstöße scharfer ahnden, oder dem MIV Verkehrsflächen weg zu nehmen.
1. Selbst wenn ein hoher Radverkehrsanteil tatsaechlich notwendig fuer die Verkehrswende sein sollte, zeigt doch Groningen schoen, dass ein hoher Radverkehrsanteil noch lange keine Verkehrswende macht (zumindest keine weg vom Auto), und Milton Keynes zeigt sehr schoen, dass viele Radwege noch lange keinen hohen Radverkehrsanteil machen.
2. Die Verbindung „Mehr Benutzungspflicht = mehr Radverkehr“ wird von ADFC im Zusammenhang mit der STVO-Novelle und der Initiative fuer das Berliner Radgesetz hergestellt, indem sie Benutzungspflichten fordern, und das mit der Foerderung des Radverkehrs begruenden.
Was die „lebende Bremse auf der Fahrbahn betrifft“, das ist ja schon ein sehr vom Primat des Autos geleiteter Gedanke. Ich sehe mich nicht als lebende Bremse, sondern als Verkehrsteilnehmer; sollte jemand hinter mir einmal langsamer fahren muessen als er es sonst taete, na und, ich schaffe es ja auch, so langsam zu fahren. Ich glaube, es hat sich auch noch selten ein Autofahrer vor mir den Kopf darueber zerbrochen, ob sein Auto gerade als „blecherne Bremse“ fuer mich oder andere fungiert, und ich mache mir ueber so etwas auch keine Gedanken.
Nein, dabei geht’s umgekehrt darum, dass Autofahrer, die mich als Verkehrshindernis sehen, mich aus dem weg gerauemt haben wollen, und mich auf langsame und gefaehrliche Wege, naemlich Radwege, verbannen wollen. Dazu ist die Benutzungspflicht da, das wurde auch bei ihrer Einfuehrung klar geschrieben: „Zeigen wir [zur kommenden Olympiade 1936] dem staunenden Auslaender einen neuen Beweis fuer ein aufstrebendes Deutschland, in dem der Kraftfahrer nicht nur auf den Autobahnen, sondern auf allen Strassen durch den Radfahrer freie, sichere Bahn findet.“ Heute formuliert man das halt anders, z.B., ’nicht viel Sympathie dafuer, […] „Radfahrer als lebende Bremsen auf der Fahrbahn“‚ …
@Anton Ertl: „sollte jemand hinter mir einmal langsamer fahren muessen als er es sonst taete, na und, ich schaffe es ja auch, so langsam zu fahren.“
Es ist schön, dass es für Dich keinen Stress bedeutet, wenn Du PKW „aufhältst“. Bei mir ist das auch so. Unangenehm finde ich es aber doch. Insbesondere dann, wenn es kein PKW, sondern ein Bus oder LKW ist. Und eins kann ich Dir sagen: Meine Mutter z. B. würde es hassen, direkt vor (und neben) PKWs zu fahren und würde bei Bussen und LKW direkt auf den Gehweg ausweichen. Und diese Sichtweise ist weit verbreitet und ich verstehe sie.
Sehr gute Diskussion hier. Sehr sachlich und kompetent.
Besonders gut gefällt mir der letzte Absatz von Sabine:
„Radweg oder nicht, das ist eine „sehr individuelle Frage“, die man mit Vorschriften nicht lösen wird, sondern mit Angeboten. Und dafür MUSS der MIV in Zukunft einfach mehr zurückstecken.“
Solange man nicht bereit ist, dem MIV etwas wegzunehmen, wird das mit dem guten Angebot für Radfahrer nix werden. Und die Spaltung der Radfahrer untereinander ist eine Folge der inhomogenen Zusammensetzung. Renn- und Alltagsradler fahren lieber Fahrbah, touristische Radler lieber seperiert.
Ich kann die Intention der Länder und des ADFC in soweit verstehen, dass sehr oft Fördermittel davon abhängen, dass ein Radweg benutzungspflichtig ist. Das wollte man erleichtern, damit die Mittel endlich fließen und mehr gebaut wird. Hier sollte man ansetzen. Fördermittel sollten überall dorthin fließen, wo ein Radweg sinnvoll ist, um Radverkehr zu fördern. Müssen Radler dagegen irgendwo besonders geschützt werden, muss man bei den Gefährdern ansetzen, und das sind nicht die Radfahrer.
Und man sollte dahin kommen, dass man als Radler auch die Qualität eines Radweges einfordern kann, wenn er schon benutzungspflichtig gemacht wird. Zu oft heißt es vor Gericht, dass die VwV-StVO die Behörden nur intern adressiert und der klagewillige Bürger sich nicht auf sie berufen darf. Das ist ein Schlag in´s Gesicht des Bürgers und gehört geändert.
Positiv sehe ich nur die Möglichkeit, innerorts verstärkt annehmbar breite Radfahrstreifen anzulegen. Die aber nur dann annehmbar sind, wenn sie von Falschparkern freigehalten und mit genug Sicherheitsabstand zu parkenden PKW ausgestattet sind. Ansonsten sollte man sie mit Verweis auf den Stand der Technik, dokumentiert in den aktuellen ERA, wegklagen können.
Ich bin da sehr gespannt, wie der ADFC in Zukunft sein Versprechen einhält, darauf zu achten, dass keine unzumutbaren Radwege benutzungspflichtig gemacht werden und bestehende vernünftig ausgebaut werden.
Die Zustimmung des ADFC zu sich jetzt entpuppenden Situation ist für mich ein absolutes NoGo
Ich verstehe gar nicht das entweder/ oder?
Radwegebenutzungspflicht muss aus meiner Sicht (endlich wirklich) weg.
Trotzdem kann doch jeder der will auf den bestehenden Radwegen fahren. Es wird ja niemandem verboten den vorhandenen Radweg zu nutzen, aber die geübten Radfahrer kommen so eben auf der Straße sicherer und regelkonform voran.
Für Rennradfahrer bedeutet die Novelle eine Verschlechterung.
Bis zum BVerwG Urteil http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?ent=181110U3C42.09.0 gab es die Rechtsauffassung, dass Rennradfahrer auf den benutzungspflichtigen Radweg gehören. Mit dem Urteil hat der ADFC 2010 die Situation erstritten, dass eine Benutzungspflicht ausserorts erst dann angeordnet werden darf, wenn – Zitat – „aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Rechtsgutbeeinträchtigung erheblich übersteigt“.
D.h. ganz egal, ob Autos 100 km/h fahren, die Strasse muss derart schlimm sein, dass z.B. ein Unfallschwerpunkt herrscht oder die Situation so eng ist, dass z.B. für Radfahrer gar kein Platz ist, was nur in den seltensten Fällen gegeben ist.
Mit der Novelle wird das Urteil kassiert.
Der Bundesrat begründet nun, abzielend auf das BVerwG-Urteil: „Infolge der außerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeiten (hier sind Geschwindigkeiten bis zu 100 km/h üblich) besteht außerorts auch ohne Nachweis einer ungefähr 30-prozentigen höheren Gefahrenlage in der Regel per se die Notwendigkeit, infolge der hohen Differenzgeschwindigkeiten Radfahrer vom übrigen weitaus schnelleren Kfz-Verkehr auf der Fahrbahn zur Wahrung eines sicheren flüssigen Verkehrsablaufs zu trennen. “
Damit werden zwei Pflöcke eingeschlagen:
1. Kommunen brauchen nur noch auf die überall vorhandene „hohe Differenzgeschwindigkeit“ verweisen, um auch Rumpelwege als benutzungspflichtigen Radweg auszuweisen. D.h. bisher waren sie gezwungen, Zeichen 240 abzubauen, mit der Novelle brauchen sie das nicht mehr. D.h. es werden Investitionen in gute Radwege gar nicht mehr nötig.
2. Rennradfahrern wird die Benutzung von Strassen ausserorts erschwert. Benutzungspflichtige Radwege sind für ein Tempo 25 ausgelegt. Das liegt unter der Rennradgeschwindigkeit von Tempo 25-45. Werden jetzt Radwege ausserorts benutzungspflichtig, die es vorher nicht waren, droht eine qualitative Absenkung der Benutzungsmöglichkeiten für Rennradfahrer, und neue Ordnungsgeldbescheide, nur weil Radfahrer die Fahrbahn benutzen. Abgesehen von den Hupkonzerten der Teilnehmer des motorisierten Individualverkehrs. Die Formel „Wahrung eines sicheren flüssigen Verkehrsablaufs“ bedeutet in diesem speziellen Kontext nichts anderes als „Rennradfahrer runter von der Strasse aber schnell“.
Ärgerlich ist in diesem Zusammenhang die Meinung des ADFC, dies würde ein Verbesserung darstellen.
Es gibt keine Urteile, die die Aussage von Ludger Koopmann „Das wird in der Praxis kaum etwas ändern, weil die Gerichte uns hier eh keine Chance gelassen haben, weil sie in der Regel bei Tempo 70 oder mehr die besondere Gefährdungslage als gegeben ansahen.“ untermauern. Im Gegenteil, Tempo 70 allein stellt seit 2010 eben keine besondere Gefährdungslage mehr dar. Es kam seitdem immer auf die einzelne Situation an. Das bedeutet, eine Kommune musste bisher die besondere Gefahr im Einzelfall beweisen und konnte erst dann die Benutzungspflicht anordnen.
Mit der Novelle ist es aber genau umgekehrt: nun muss bewiesen werden, dass Radfahrer die Fahrbahn ausserorts gefahrlos benutzen können. Das wird praktisch nie gelingen. Und Geld für neue Radwege ist auch nicht da. Von daher zieht es zappenduster aus für die komplette Aufhebung der Benutzungspflicht ausserorts, die Rennradfahrer zu gute kommen könnte. Auch dank des ADFC.
Hi Jörg! Danke für die Erklärung, Außerorts sieht die Sache in der Tat ausgesprochen fragwürdig aus. Und das gilt nicht nur für Rennradfahrende, sondern für einen Haufen „geübte“ Radfahrer*innen, die lieber auf der Fahrbahn fahren..
VG
Wasilis von Rauch
Hier ein Brief des ADFC Vorstands Ludger Koopman als Antwort auf Bedenken bzgl. der Benutzungspflicht (kopiert aus Kommentarspalte eines anderen Blogs). Ganz interessant, aber er scheint zu übersehen, dass sich Außerorts sehr wohl mehr als nur Radstreifen ändern, und genau das sorgt für so viele Bedenken:
Sehr geehrter Herr xxx,
Herr Syberg hat mich als für Verkehr/Verkehrspolitik zuständiges Bundesvorstandsmitglied gebeten, Ihre Mail zu beantworten.
2013 hat die Bundeshauptversammlung des ADFC das verkehrspolitische Programm des ADFC beschlossen. Dieses geschah einstimmig und ohne Enthaltungen. Sehr komprimiert zusammengefasst lautet die Kernaussage des verkehrspolitischen Programms: ALLE Menschen sollen sicher und komfortabel Fahrrad fahren können und sich dabei auch sicher fühlen. Der Bundesvorstand ist der Meinung, dass dieses mit der absoluten Forderung von Rad fahren auf der Fahrbahn im Mischverkehr nicht umzusetzen ist. Stattdessen ist eine differenzierte Betrachtung der unterschiedlichen Führungsformen des Radverkehrs unter Beachtung der konkreten Lage vor Ort notwendig. Wir haben deshalb in einem breiten Beteiligungsprozess „Leitlinien des ADFC für sichere, zukunftsfähige Radverkehrsinfrastruktur“ erarbeitet, zur Meinungsabgabe unserer Mitglieder ins Netz gestellt und der Bundeshauptausschuss hat sie am 24.9. beschlossen. Die Bundeshauptversammlung des ADFC wird im November darüber final entscheiden. Im Netz lag die Zustimmung unserer Mitglieder bei 81% bis 98% zu den einzelnen Abschnitten. Diese differenzierte Betrachtung beschreibt Forderungen für eine moderne Radverkehrsinfrastruktur die unserer Meinung nach der Forderung des verkehrspolitischen Programms entsprechen, nämlich dass alle Menschen sicher und komfortabel Fahrrad fahren können. Auch Kinder und Ältere. Die Leitlinien habe ich Ihnen in die Anlage gelegt.
Das habe ich hier vorweggeschickt, um die Basis unseres Handelns deutlich zu machen.
Was ist jetzt bei der Änderung der STVO insbesondere mit dem berühmten §45, Absatz 9 passiert.
Der Absatz 9 ist geblieben! Deshalb gibt es auch keinen Rückfall auf den Status von vor 1997. Die Grundlage für die Anordnung der Benutzungspflicht bei baulich getrennten Radwegen ist unverändert geblieben. Komplett. Geändert hat sich etwas bei der Einrichtung von Radstreifen. Diese können jetzt tatsächlich leichter eingerichtet werden, da die außergewöhnliche Gefährdungslage dafür nicht mehr notwendig ist. Wir begrüßen diese Regelung aus folgenden Gründen.
Die Abschaffung der Radwegebenutzungspflicht in den konkreten Situationen vor Ort hat das Verhalten der Radfahrenden kaum bis gar nicht verändert. Immer noch fährt auch auf den nicht benutzungspflichtigen Radwegen der weit überwiegende Teil der Menschen. Man kann das vielleicht bedauern, ignorieren darf man es nicht. Denn diese Menschen sind bei den Schrottradwegen aus der Vergangenheit gefährdet. Aber sie wollen aus was für Gründen auch immer nicht auf der Fahrbahn fahren. Nach bisherigen Fassung der STVO konnte man diesen Menschen auf der Fahrbahn nur einen Schutzstreifen anbieten. Diese sind aus guten Gründen nicht benutzungspflichtet, denn die Mindestmaße betragen nach ERA (Empfehlungen für Radverkehrsanlagen) für Schutzstreifen gerade einmal 1,25 Meter und einem Sicherheitstrennbereich zu parkenden Autos von gerade einmal 50 Zentimeter. Außerdem dürfen sie von Autos überverfahren werden und sind damit primär Autofahrbahn. Diese Alternative halten wir für schlecht. Weil sehr viele Menschen weiterhin auf den schlechten Radwegen fahren, weil sie nicht auf der Fahrbahn oder einem Schutzstreifen fahren wollen, begrüßen wir die Einrichtungsmöglichkeit von Radfahrstreifen, die den Flächen des fließenden Autoverkehrs weggenommen werden. Diese Radfahrstreifen sind dann in der Tat benutzungspflichtig. Aber mal ehrlich: was spricht denn dagegen, einen 2 Meter breiten Radfahrstreifen zu benutzen? Ich habe nichts dagegen dem Autoverkehrs Flächen zu entziehen, anstatt diese Flächen mit dem Autoverkehr zu teilen.
Dort wo keine Radstreifen angelegt werden, bleibt alles beim Alten, das Urteil des BVG in Leipzig hat weiterhin Bestand. Und es sei hier auch erwähnt: das hat nicht nur Vorteile. Es bleibt nämlich nicht nur die Anordnung der Benutzungspflicht erschwert, sondern auch die Anordnung von Tempo 30, die der ADFC fordert.
Es bleibt also noch die erleichterte Anordnung der Benutzungspflicht außer Orts. Das wird in der Praxis kaum etwas ändern, weil die Gerichte uns hier eh keine Chance gelassen haben, weil sie in der Regel bei Tempo 70 oder mehr die besondere Gefährdungslage als gegeben ansahen.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Bedenken zerstreuen und sie von unserem Handeln überzeugen.
Mit freundlichen Grüßen
Ludger Koopmann
Stellvertretender Bundesvorsitzender
– Verkehrspolitik –
Auch ich bin Radpendlerin mit rund 10.000km im Jahr, auch ich bevorzuge die Straße. Und ich kann die Untersuchung der Uni Dresden nur bestätigen: Je mehr Erfahrungen ich sammle (die eine oder andere Nahtoterfahrung inbegriffen), umso häufiger weiche ich auf die Straße aus.
Ebenso kann ich sagen, dass ich seit gut 14 Jahren zur Arbeit pendele und dass 97% all meiner (beinah-)Unfälle auf Radwegen entstanden sind!!!
Aaaber: Es gibt durchaus Tage, da bin ich froh, wenn ich aus der lauten, stressigen Innenstadt raus bin und in aller Ruhe auf den Radweg ausweichen kann, wenn er denn einigermaßen sicher und nicht allzu holprig ist.
Ich weiß, dass ich ein Recht auf Straße habe. Egal, was da beschlossen wird, oder nicht. Ich bin mir aber auch im Klaren darüber, dass Autos nun mal schneller sind als ich. Und ich bin mir bewusst, dass ich als Hindernis empfunden werde, wenn ich mit „nur“ 23 km/h vor ihnen herfahre (was mich nicht davon abhält, es zu meiner eigenen Sicherheit trotzdem zu tun!). Ich bin manchmal selber Autofahrerin. Da mache ich mir nichts vor. Ich finde das nicht schlimm, aber toll finde ich es auch nicht.
Deswegen kann Separation auch was Gutes sein.
Trotzdem stehe ich auf dem Standpunkt: „Gute Radwege brauchen keine Benutzerpflicht!“
Denn jeder empfindet das anders. Früher hätte ich mich im Leben nicht so im Straßenverkehr bewegt, wie ich das heute tue.
Radweg oder nicht, das ist eine „sehr individuelle Frage“, die man mit Vorschriften nicht lösen wird, sondern mit Angeboten. Und dafür MUSS der MIV in Zukunft einfach mehr zurückstecken.
Moin,
ich habe mehrere Widersprüche gegen Radwegbenutzungspflichten außerorts zu laufen. In keinem Fall habe ich bestritten, dass die Benutzung des Radweges einen maßgeblichen Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit leisten könnte – wenn denn da ein Radweg wäre und nicht nur ein auf tw. unter 80 cm Breite asphaltiertes und inzwischen vielfältig aufgeplatztes Wurzelkorsett.
Leute, nach 18 Jahren ist die Zeit der § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO-Klagen eh‘ um. Damit konnten dorch eh‘ nur die kleinen Hauptverkehrsstraßen innerorts nachhaltig bearbeitet werden. Dass manche Richter aus Bequemlichkeit zu § 45 Abs. 9 StVO griffen, wo es in Wirklichkeit um die Benutzbarkeit der Radwege ging, hielt ich immer für falsch da die Benutzungspflicht für etwas Unbenutzbares eh‘ unlogisch ist. Jetzt werden alle Seiten hoffentlich genauer argumentieren. Die Ergebnisse werden dann ähnliche sein wie bisher.
Übrigens war § 45 Abs. 9 StVO schon in frühen 1990er Jahren unbestrittenes Richterrecht. Die Beamten des Verkehrsministeriums haben da einfach aus Urteilen übernommen und redaktionell bearbeitet. Man könnte den Absatz daher auch ganz streichen, ohne dass sich die Rechtslage ändern würde.
Daher ist es eine lediglich lächerliche Posse, mit aus einem einfachen Absatz im Laufe von nur 18 Jahren in mehreren Anläufen ein bürokratisches Monster gezimmert wurde.
DrFB
Ich bin überzeugter Fahrbahnradler und kann den angeblichen Widerspruch, der hier herbeigeredet wird, überhaupt nicht sehen oder verstehen.
Niemandem soll „sein“ Radweg dadurch weggenommen werden, dass sichere und geübte, zügig und weit fahrende Radfahrer die Fahrbahn legal nutzen möchten (illegal tun sie das ohnehin und werden es weiter tun). Das Bedürfnis nach subjektivem Sicherheitsgefühl wird den Radwegbevorzugern von den Fahrbahnbevorzugern in keiner Weise abgesprochen. Im Gegenteil: Als Gegner der Radwegbenutzungspflicht unterstütz(t)e ich jedwede Bestrebung zur Verbesserung von Radwegen, denn ich möchte, dass mehr Menschen aufs Rad umsteigen. Aber warum soll auf mich und meinesgleichen keine Rücksicht genommen werden, wo wir uns auf der Fahrbahn besser und sicherer fühlen (subjektiv) und die objektive Sicherheit noch dazu haben?
Traurigerweise wird die gegenseitige Solidarität aber von den Radwegbevorzugern nicht geübt. Sie versuchen aktuell, den Fahrbahnbevorzugern ihre eigene Vorliebe aufzuzwingen. Es ist dieses Verhalten, dass in der Tat zur Spaltung unter den Fahrradbewegten führt. Es schadet uns allen. Ich habe – leider – als Konsequenz selber schon Mitstreitern von der anderen Fraktion meine Unterstützung bei der Forderung nach besseren Radwegen aufgekündigt. Nachdem sie mir zuvor die Unterstützung aufgekündigt haben. Ich finde das traurig. Und von Seiten der Radwegfans ziemlich egoistisch und schäbig. An den ADFC habe ich eine geharnischte Kritik gerichtet. Ich bin dort zwar Mitglied, fühle mich aber momentan absolut nicht gut vertreten. Ich fände es gut, wenn wir einen neuen Vorstand bekommen, nämlich einen, der nicht spaltet, sondern integriert.
Und noch was: Die Untersuchung der Uni Dresden, deren Ergebnisse heute herauskamen zeigt klar: Je intensiver die Fahrradnutzung, desto mehr wird von Radfahrern die Fahrbahn bevorzugt. Ausgerechnet die intensivsten Fahrradnutzer (ich werde dieses Jahr ca 10.000 km machen, hauptsächlich Alltagsverkehr) nun so vor den Kopf zu stoßen, das ist schon eine ziemliche Sauerei.
Hallo Roger,
Danke für deinen Kommentar. Ich kann deinen Punkt gut nach vollziehen.
An sich wollte ich auch weniger selbst einen Widerspruch „herbeischreiben“ und mehr die Tendenz zur Spaltung beschreiben. Ob in der Praxis ein Widerspruch zwischen den Positionen besteht, hängt aus meiner Sicht vor allem davon ab, wie es denn nun aussieht mit der Möglichkeit Infrastruktur zu bauen, die den vielen Radwegbevorzuger*innen ausreicht, ohne diese dann nutzungspflichtig zu machen. Da habe ich innerorts wie beschrieben sehr unterschiedliches zu gehört.
Auch außerorts scheint es in einigen Ländern Probleme in der Praxis zu geben, weil entweder Radwegebau von vorneherein nur gefördert wird, wenn die Radwege dann benutzungspflichtig werden oder, in anderen Fällen, im Nachhinnein die korrekte Mittelverwendung in Frage gestellt wird, wenn Radwege gebaut werden und dann nicht benutzungspflcihtig sind (nach dem Motto: „Wenn der Radweg nicht benutztungspflichtig ist, dann war er auch nicht nötig“)
Viele Grüße
Wasilis
Auch frage mich immer, warum manche unbedingt wollen, dass sie sich den Radweg mit schnelleren teilen müssen. Das schafft für alle Beteiligten nur Stress.