ADFC, ECF und EU Parlament pro Leistungsobergrenze für E-Bikes – Über Sinn und Unsinn der 250W-Regel

Gut 90% der verkauften Elektrofahrräder haben einen großen Vorteil: Sie gelten rechtlich als Fahrrad. Damit entfällt die Versicherungspflicht, Führerschein und Zulassung sind ebenfalls nicht notwendig (mehr dazu hier), Radwege dürfen genutzt- und Parkanalgen dürfen ebenso durchfahren werden, wie die Gegenrichtung frei gegebener Einbahnstraßen.

Vorrausetzung für die Gleichstellung mit Fahrrädern ist, dass die E-Räder über 25km/h (+ bis zu 10% Toleranz) nicht mehr unterstützen und dass der Motor eine Nenndauerleistung von 250 Watt nicht überschreitet. Es ist weit gehend unstrittig, dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung für E-Räder notwendig ist, auch wenn es gute Gründe gibt, sie auf 30km/h zu erhöhen. Dann nämlich könnten E-Räder in Tempo30 Zonen problemlos mit schwimmen. Es würde außerdem besser mit der in den USA geltenden Begrenzung auf 20 mph (32km/h) zusammen passen.

Theorie: Oft reichen 250 Watt nicht

Doch wozu eine Leistungsbegrenzung? Der ADFC argumentiert dafür, weil eine höhere Leistung zu rasante (und daher gefährliche) Beschleunigung ermöglichen und würde. Das mag stimmen, wer allerdings mal auf einem Bosch- oder Alber- (läuft unter GreenMover/ZEG oder Xion/Derby Cycles) Antrieb auf höchster Stufe angefahren ist, wird zugeben, dass noch mehr Beschleunigung (auf ebener Strecke) nicht sinnvoll ist: Zu schnell ist die Grenze von 25km/h erreicht, wo die Unterstützung dann abrupt endet. Ohnehin wäre es nach dieser Logik naheliegender, die Spitzen- statt die Dauerleistung zu begrenzen.

Was aber ist bei längeren Steigungen oder beim Transport von Lasten? Eine Beispiel-Rechnungen zeigt, dass eine Steigung von 6% und einem Gesamt-Gewicht von 130 Kilogramm (incl. den min. 25 Kilo des E-Rads) dazu führen, dass man mit den 250 Watt und einer sportlichen Trittleistung von 150 Watt (insgesamt also 400 Watt) nicht mehr über 15 km/h kommt. Geht man von einem Gesamt-Gewicht von 180 Kilogramm aus, bspw. 90 Kilo Fahrer, 30 Kilo Lastenrad un 60 Kilo Ladung, dann reichen die 400 Watt bei 6% Steigung insgesamt nur für 11,5 Km/h (Nachrechnen kann man die Beispiele übrigens bei elfkw.at).

250 Watt reichen also häufig nicht aus, diese Erfahrung machen besonders Menschen, die über 100 Kilogramm wiegen und/oder in einer der vielen Mittelgebirgs-Regionen Deutschlands wohnen – oder eben Nutzer_innen von Lastenrädern. Und gerade in diesen Bereichen sind E-Räder besonders sinnvoll!

Praxis: Nenndauerleistung unklar definiert

Ein weiteres Problem ist, dass die Nenndauerleistung nur unzureichend definiert ist – es ist bspw. unklar, über welche zeitliche Dauer 250 Watt im Schnitt nicht überschritten werden dürfen. Die praktische Folge ist, dass die meisten Hersteller (wahrscheinlich sind es alle) die Regelung bestenfalls als Richtschnur ansehenMotoren die auf einer 1 Kilometer langen Steigung konstant über 300 Watt leisten sind bspw. keine Ausnahme.

Hersteller, haben das Problem, nicht genau zu wissen, wie die Regel definiert ist, aber sie wissen, dass Kund_innen am Berg gute Unterstützung wollen. Die Regelung schafft daher eine Situation in der die rechtliche Grauzone zum Normalzustand wird und sie behindert zudem wichtige Anwendungsbereiche von E-Rädern.

Fazit

Die Regelung ist unklar definiert und wird daher praktisch nicht eingehalten, außerdem gibt es gute Gründe mehr als 250 Watt Dauerleistung zu erlauben und das Tempolimit zu erhalten. Es wäre daher aus meiner Sicht richtig, die Begrenzung auf 250 Watt ersatzlos zu streichen oder sie zumindest durch eine passendere Regelung zu ersetzen, bspw. durch Begrenzung der Beschleunigung oder der Spitzenleistung. Leider hat sich das EU-Parlament auf Anraten des ADFC und des ECF nun aber für die Beibehaltung der 250 Watt-Grenze ausgesprochen (siehe Bericht bei velobiz). Die Tatsache, dass die Rad-Lobby sich für die Beibehaltung dieser Grenze einsetzt wirkt etwas eigenartig… oder hat man da etwa immer noch nicht erkannt, dass das E-Rad das Fahrrad in den meisten Fällen ergänzt und stärk und nicht gefährdet?

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Fahrradfahren in Holland und Deutschland

Am vergangenen Mittwoch (21.11.2012) lud die holländische Botschaft zum Fahrradsymposium ein, Thema war der Vergleich des Radverkehrs in Holland und Deutschland, besonders die beiden Hauptstädte Berlin und Amsterdam waren im Fokus.

Eines war an sich vorher klar und wurde während der Veranstaltung immer wieder deutlich: Deutschland in Sachen Fahrrad mit Holland zu vergleichen ist äußerst schmeichelhaft (für erstere). Das sieht man nicht nur an den Zahlen beim Modal Split, sondern bspw. Auch an der Kilometerleistung mit dem Fahrrad – so ist in Deutschland laut MiD eine durchschnittliche Strecke mit dem Rad 3,2 Kilometer lang, in Holland sind es 7. In Deutschland werden zwar 10% aller Wege mit dem Rad erledigt, geht es um die Verkehrsleistung – also um die gefahrenen Kilometer – erreicht das Rad aber nur 3%. In diesem Sinne ist das Fahrrad in Deutschland bei weitem kein „Massenverkehrsmittel“ wie Burkahrd Stork Bundesgeschäftsführer des ADFC feststellte.

Doch es ist nicht nur das; die politische Rückendeckung für das Fahrrad ist in Deutschland viel geringer als in Holland, wo bereits seit knapp 30 Jahren gezielte Fahrradpolitik betrieben wird. Auch die Investitionen sprechen eine deutliche Sprache – 25-30 Euro pro Kopf und Jahr in Holland gegenüber ca. 3 in Deutschland (je nach Bundesland etwas mehr oder weniger, mehr dazu hier). So etwas ein „Kampfradler“-Diskurs ist in Holland ebenso undenkbar, wie ein Chef der Polizei-Gewerkschaft, der behauptet die große Mehrheit der Fahrradfahrer_innen hielte sich nicht an Verkehrsregeln, ohne das auf Nachfrage belegen zu können.

Podiumsdiskussion beim Fahrradsymposium, Foto: e-Rad Hafen

Probleme der Radverkehrsförderung

Interessant waren die Einschätzungen der Vortragenden zu den Herausforderungen bei der Entwicklung des Fahrradverkehrs. Burkard Horn von der Berliner Senatsverwaltung sprach speziell in Berlin von Personalmangel auf Bezirksebene. Burkhard Stork vom ADFC sieht dagegen vor allem das „aggressive Klima“ im Verkehr als Problem an. Unter anderem dadurch fühlt man sich als „schwache_r“ Verkehrsteilnehmer_in nicht sicher. Das liegt auch daran, dass das Thema Verkehrssicherheit und Fahrrad in Deutschland sehr stark von (männlichen) Ingenieuren dominiert sei, die eher in Normen denken und Sicherheit ausschließlich als „objektive“ statistische Größe sehen. Es fehlt laut Stork der Blick für die subjektive, die erlebte Sicherheit (diese ist laut ADFC Fahrradmonitor in der Tat gefallen, wie hier berichtet).

Zum Unterschied zwischen statistischer und subjektiver Sicherheit kann man sich bildhaft eine Straße vorstellen, auf der Autos schnell fahren und auf der sich am Rand ein Radstreifen befindet. Die Radfahrenden sind für die Autos gut sichtbar und es passieren möglicherweise sehr wenige Unfälle. Die statistische Sicherheit ist hoch. Gleichzeitig kann die Situation sich wegen der nahe vorbei rauschenden Autos, der Hektik und des Lärms so unangenehm anfühlen, dass viele Menschen – etwa ältere, Kinder oder unsichere Fahrer- dort gar nicht erst aufs Rad steigen würden. Will man mehr Radverkehr, besteht hier also trotz hoher statistischer Sicherheit Handlungsbedarf, um das Sicherheitsgefühl zu erhöhen (in Holland wird an Straßen mit Tempo50 grundsätzlich ein baulich getrennter Fahrradweg eingerichtet).

Doch Sicherheit ist auch in Holland ein Problem wie Kate de Jager vom Ministerium für Infrastruktur und Umwelt betonte, das Sicherheitsiveau auf dem Rad ist dort zwar deutlich höher als hierzulande, trotzdem wird intensiv daran gearbeitet. In Städten sei zudem vor allem das Platzproblem sehr akut, machte Dirk Iede Terpstra, Verkehrsplaner aus Amsterdam deutlich: Platz für Tram, Pkw, Radspur zusammen gingen zu oft auf Kosten des Fußverkehrs. Dazu gesellen sich wachsende Probleme, Platz für Radabstellanlagen zu finden. Denn eins ist auch in Holland nicht so einfach: Dem Auto (Park)-Platz weg zu nehmen.

Wenig Diversität, fehlende Repräsentanz

Ein in beiden Ländern existierendes Problem ist die geringe Fahrradnutzung innerhalb der internationalen Community, junge migratisierte Menschen fahren deutlich weniger Fahrrad. Wie man das verändern könnte, dazu gab es in der holländischen Botschaft wenige Ideen und noch weniger bestehende Beispiele. Doch eins liegt auf der Hand:  Die genannten Communities sind in Verkehrsplanung und -politik, bei Verbänden und Behörden gleichermaßen unterrepräsentiert. Denn es sind in diesen Institutionen in aller Regel nicht nur Männer, sondern eben Männer ohne Migrationshintergrund, die in der deutlichen Überzahl sind (genau wie auf dem Podium, siehe Foto). Das Wissen über „Andere“ und über ihre Perspektiven fehlt im politischen Prozess weitgehend. Genauso wie die Botschafter_innen fehlen, die Informationen und Entwicklungen dann in diese Communities zurück tragen. Gezieltes „Diversity Management“ würde helfen.

Ein Lichtblick in diesem Sinne: Anfang des 2012 hat die Türkische Gemeinde Deutschland die Infokampagne „Fahr Rad“ gestartet, die speziell auf die eigene Zielgruppe ausgerichtet ist. „Wir machen Schulungen, bilden Fahrrad-Botschafter aus und gehen gezielt in Verbände und Kindergärten“ , so Fuat Sengül in einem Interview mit der Berliner Zeitung – hier eine Pressemitteilung zum Projekt.

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