Zur Dänische Ratspräsidentschaft haben die European Cyclist Federation (ECF) und die Danish Cyclist Foundation (DCF) ein Memorandum zur Förderung des Radverkehrs auf EU Ebene verfasst. Der e-Rad Hafen hat es gelesen, hier eine etwas ausgebaute Synopsis – mit einem kleinen Holland-Special zum Schluss.
Jeder Kilometer Radfahren bringt der Gesellschaft einen Euro
Radfahren ist gut für die ökonomische Entwicklung, das ist die zentrale Aussage des Texts. Da EU weit 50% der Autowege kürzer als 5km sind, ist das Verlagerungs-Potential enorm. Radfahren spart der Volkswirtschaft viel unproduktive Zeit, denn mehr Radverkehr heißt weniger Stau und kürzere, besser kalkulierbare Reisezeiten. Dazu kommen erhebliche günstige Gesundheitseffekte. Das Memorandum nimmt auf eine Forschungsarbeit der Uni Wien Bezug und beziffert den gesellschaftlichen Vorteil eines Radkilometers gegenüber einem Pkw-Kilometer auf knapp einen Euro.
Eine mutige und forsche Radpolitik sei daher notwendig und sinnvoll. Zentrale Forderungen des Papiers sind:
- breite Image-Kampagnen zur Förderung des Radverkehrs, da Effizienzsteigerungen bspw. im Pkw-Sektor aus Klimasicht nicht mal ausreichen um das wachsende Verkehrsaufkommen zu kompensieren
- 15% der EU-Ausgaben im Transportsektor (knapp 2 Mrd. der jährlich 13 Mrd. €) sollen für Rad- und Fußverkehr ausgegeben werden – derzeit sind nur 0,7% dafür vorgesehen (mehr Infos warum die EU Verkehrsinvestitionen bisher so oft am falschen Platz landen – nämlich auf der Straße – gibt diese Publikation der europaweiten NGO T&E)
- urbaner Raum muss effizienter genutzt werden; Fuß- und Radverkehrsflächen müssen auf Kosten von Flächen für Autos ausgebaut werden
- jede Stadt mit mehr als 100.00 Einwohnern soll einen Plan für nachhaltige Verkehrsentwicklung erarbeiten (Sustainable Urban Mobility Plan – SUMP), wenn sie EU Gelder bekommen möchte
Wohin das Geld fließen soll
Im wesentlichen sind fünf Infrastruktur-Bereiche angeführt
- Innersädtische Radwegnetze
- Suburbane, regionale oder nationale Netze: Fahrrad-Schnellwege
- Europäische Infrastruktur: EuroVelo, 70.000km EU-weite Langstrecken-Radwege, sollen als Teil des TEN-T Programms gefördert werden
- Radverleih-Systeme
- Fahrradabstellanlagen an intermodalen Knotenpunkten bspw. Bahnhöfen
Holland: 27% Radverkehr für (k)einen Cent Mineralölsteuer
Holland wird als Best Practice Beispiel angeführt. Es hat einen Radverkehrsanteil von 27% am Modal Split. Insgesamt investiert das Land im Jahr 410 Millionen € in den Radverkehr. Das sind 25€ pro Jahr und Einwohner_in. In Deutschland käme man bei 25€ pro Kopf auf jährlich 2 Mrd. €. Klingt viel, ist es aber nicht. Man könnte diese Summe für ca. 0,5 Ct. Erhöhung der Minerölsteuer erhalten (bei 660 Mrd. Liter Kraftrstoffverbrauch, die laut UBA jährlich in Deutschland anfallen und der Annahme, dass von 1 Cent Steuern 60% beim Staat landen und 40% abgeschrieben werden).
Übrigens: In Berlin kommen derzeit pro Kopf und Jahr von Bund und Land 2,4€, wie hier vorgerechnet. Ein Zehntel der Ausgaben in Holland. Im Idealfall steigen die Ausgaben bis 2017 um 3€ pro Berliner_in. Wow!! Man quält das Fahrrad mit haushalterischer Ignoranz. Dass der Radanteil in Berlin dennoch langsam wächst, ist auch Verdienst derer, die aus wenig Mitteln gute Radpolitik machen, zeigt aber auch unter welch widrigen Bedingungen die Menschen immer noch Fahrrad fahren wollen.
Vom holländischen Budget werden etwa 100 Millionen genutzt, um bis 2020 ein 675km umfassendes Radschnellweg-Netz zu schaffen. Je nach Szenario rechnet sich das aufgrund der Verkehrsverlagerung erheblich, wie die Abbildung zeigt. Interessant für e-Rad Fans ist, dass die Studie einen mit jährlich 344 Mio.€ mehr als doppelt so hohen Nutzen schätzt, wenn 50% der holländischen Räder e-Räder sind, da dann mehr Autowege ersetzt werden (zum Vergrößern aufs Bild klicken):
e-Rad Hafen Fazit
Das Memorandum und vor allem das Beispiel Holland zeigt: Fahrradförderung ist in Anbetracht ihres potentiellen Nutzens in der EU und in Deutschland krass unter finanziert. Einige Länder haben das begriffen, dazu gehören Dänemark und Holland. In diesen Ländern wird pro Kopf ein Vielfaches für den Radverkehr investiert (ohne freilich Unsummen auszugeben). Großstädte dieser Länder wie bspw. Amsterdam oder Kopenhagen bieten eine hohe Lebensqualität. Die Innenstädte werden attraktiver, sicherer und ruhiger die Menschen gesünder und das Klima geschont. Volkswirtschaftlich weißt alles darauf hin, dass ein in den Radverkehr investierter Euro eine äußerst kluge Anlage ist.
In Anbetracht dieser Konstellation sind die Forderung des Memorandums völlig im Rahmen. Dass sie so ambitioniert wirken, liegt wohl eher daran, dass Fahrrad- und Umweltverbände und Parteien wie die Grünen politisch viel zu defensiv aufgestellt sind, viel zu geringe Forderungen stellen. Es ist es an der Zeit, bspw. 15% der Verkehrsinvestitionen für Rad und Fußverkehr immer und überall zu fordern. Die besseren Argumente hat man auf seiner Seite – und zunehmend auch die meisten Menschen.
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