Wenn man die Titelzeilen der großen Leitmedien liest bekommt man den Eindruck, jede_r auf einem E-Rad befindet sich in Lebensgefahr und ist tendenziell suizidgefährdet. Liest man den Test genauer und recherchiert links und rechts, merkt man: So gefährlich ist es nicht. Da wäre bspw. die Tatsache, dass der vor zwei Monaten veröffentlichte Test in der Zeitschrift Ökotest keine Rahmen- oder Lenkerbrüche lieferte – teilweise wurden die gleichen Modelle getestet. Auch Ökotest machte einen Dauertest auf dem Rollen-Prüfstand (des Instituts velotech) und simulierte dabei ein Fahrradleben im Zeitraffer. Der Dauertest der Stiftung Warentest war ganz offenbar anders und härter – es handelt sich übrigens um einen so genannten „Betriebslastennachfahrversuch“ bei dem zuerst auf einer „echten“ Testfahrt mit Dehnstreifen auf verschiedene Bauteilen die auftretenden Kräfte gemessen werden und diese Kräfte dann am Prüfstand nachempfunden werden. Dann wird eine Strecke von 20.000 Kilometern simuliert. Viel hängt beim „Betriebslastennachfahrversuch“ also davon ab, wie stark die Testfahrenden die Räder belasten.
Ökotest oder Stiftung Warentest, wer ist nun näher an der Realität?
Einen Möglichkeit das heraus zu finden wäre, die Tests zu vergleichen und zu prüfen wer die realistischeren Lasten zu Grunde legt. Das wäre spannend wird aber kaum passieren, die StiWa legt nicht alles offen (das ist der zentrale Kritikpunkt des VSF an der StiWa, siehe Pressemitteilung). Die zweite Methode ist der Abgleich mit der Realität: Wie oft bricht der Rahmen des E-Rad Klassikers der C-Serie von Flyer? Wie häufig kamen in den letzten Jahren Lenkerbrüche vor? Laut Aussage von Flyer und verschiedener Händler gab es in den letzten zehn Jahren keinen Rahmenbruch bei einem Modell der C-Serie. Lenkerbrüche sind mir bei meinen Recherchen der letzten Tagen ebenfalls keine zu Ohren gekommen – Auch wenn Alu-Lenker offiziell alle paar Jahre gewechselt werden sollten, scheinen Brüche nicht aufzutreten. Natürlich kann man einwenden: Die meisten E-Räder werden nicht 20.000 Kilometer gefahren und vielleicht werden auch nicht alle Brüche an Bauteilen bekannt. Trotzdem: Brüche an Bauteilen sind bei E-Rädern im Alltag ganz offenbar nicht die Regel, sondern absolute Ausnahmen. Und um den Alltag geht es doch vor allem, wenn man sich ein Testheft kauft. In diesem Sinne scheint Ökotest näher an der Realität zu testen und die Stiftung Warentest suggeriert ein falsches Bild.
Wären Brüche so häufig wie bei der StiWa, müssten täglich schwere Unfälle mit in die Jahre gekommenen E-Rädern passieren. Das ist nicht der Fall – Der Test repräsentiert eher das Extrem als den Normalfall. Das ist natürlich auch wichtig. Das Problem ist aber, dass er nicht als Extremtest sondern eben als Test unter Alltagsbedingungen verkauft und medial wahrgenommen wird. Mit dem Resultat, dass alle Welt von tödlichen Gefahren redet, die in der Realität nicht auftreten (eine ganz ähnliche Einschätzung liefert übrigens das EfBe Prüfinstitut)
Statt von tödlichen Gefahren zu reden, wäre es passender, der Industrie nahe zu legen, an der ein oder anderen Stelle noch etwas mehr auf Sicherheit zu gehen. Denn ohne Frage: Auch unter extremen aber möglichen Belastungen sollten Lenker und Rahmen nicht brechen.
Was dabei untergeht
Im großen Medienrummel um „tödliche Risiken“, in dem sich die StiWa und der ADAC sicher nicht unwohl fühlen, geht die Chance auf eine sachliche Debatte verloren. Dabei gäbe es angefangen vom unzureichenden zulässigen Gesamtgewicht vieler Räder, den Motorausfällen durch Funkstrahlung, dem multiplen Versagen der drei Discounterräder oder den teilweise furchtbar langen Akkuladezeiten viele Punkte, bei denen man die Hersteller zu Verbesserungen drängen kann und Verbraucher_innen eine große Hilfe sein könnte.
Den ADAC wird die negative Presse für E-Räder wohl nicht ärgern.
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Meines Erachtens ist Stiftung Warentest das „seriösere“ Test-Magazin. Habe da sehr viel Vertrauen und schätze deren Arbeit sehr. Bei Öko-Test merkt man halt schon, dass die Bewertung eher beim ökologischen Aspekt liegt. Das kommt halt drauf an. Also ich bleib weiter bei Stiftung Warentest. Gelegentlich lese ich aber auch mal andere Test-Zeitschriften (auch mal den Öko-Test) um mir eine noch objektivere Meinung zu bilden, da ich finde, dass dies gerade beim Kauf von Produkten sehr wichtig ist.
Gruß Marian
Ich denke Stiftung Warentest gehört noch zu den wenigen seriösen Test Unternehmen. Bei Ökotest kann man sich doch gute Bewertungen kaufen.
Hey Tim,
Danke für den Hinweis mit den Lenkern! Das ist interessant und wichtig zu wissen.
Der Ökotetst Dauertest war kein „Betriebslastennachfahrversuch“, bei dem die Belastungen den einer gemessenen Testfahrt nachgeahmt werden , sondern ein Test auf dem Rollenprüfstand bei dem die Realität auf anderer Grundlage simuliert wurde.
Im Grunde scheint der StiWa Aufbau sehr realistisch aber irgendwie hauen die Ergebnisse trotzdem nur bedingt hin.
Wichtiger finde ich aber noch, dass die Medienberichterstattung alles noch dramatischer dargestellt hat und dadurch ein m.E. falsches Bild gemalt wurde.
Bei den Lenkerbrüchen von Alulenkern muss ich leider widersprechen. Ich hatte zwar kein E-Bike, aber mir ist vor wenigen Jahren der Lenker eines lediglich 2 oder 3 Jahre alten Raleigh-Rades gebrochen (Neupreis 700-800 EUR). Ist zum Glück nichts passiert. Beim Händler hat man erstmal gestaunt. Als ich aber 1-2 Jahre später beim gleichen Händler nochmal aufs Thema zu sprechen kam, meinten die, dass es das bei der damaligen Serie wohl häufiger gegeben hat, die Lenker der neuen Raleigh-Serie sahen dann auch schon anders aus…
Mein Fazit bei solchen Ergebnissen: Langlebigkeit ist bei vielen Massenprodukten kein wichtiges Kriterium mehr, viel zu häufig werden billige Komponenten verbaut. Wenn das zu Lasten der Sicherheit geht, wird das kritisch…
Deine Sichtweise kann ich nachvollziehen und es ist gut, dass du das schreibst. Was ich mich aber frage: Warum waren die Ergebnisse beim Test zuvor unter gleichen Bedingungen nicht so verheerend…?
Nach der verheerenden Berichterstattung ein aufhellender Beitrag. So habe ich das bisher nicht gesehen.