In zahlreichen Medien wird dieser Tage (wieder) heftig über eine Helmpflicht für Radfahrende diskutiert, z.B. im Stern oder im Spiegel . Ein Helm kann schützen, darüber sind sich alle einig, die meisten haben aber auch begriffen, dass eine Pflicht nicht das richtige Mittel ist.
Auto-Normativität
Grund eins: Auto normative „Inkonsequenz“: Ein Helm kann genauso Autofahrer_innen schützen, die ein höheres Risiko schwerer Kopfverletzungen eingehen (das habe ich hier schon einmal dargelegt). Wer käme auf die Idee, eine Helm-Pflicht für Autoinsassen zu fordern? Tja. Das würde das Auto gefährlich wirken lassen und das findet die Autolobby überhaupt nicht gut. Auch wenn es noch so wahr ist. In ein ein Auto zu steigen soll das normalste der Welt sein und keiner darf da einen Grund zur Panik haben.
Aber damit nicht genug: Pkw und Lkw sind auch das Hauptrisiko für Radler, schwere Kopfverletzungen zu erleiden. Statt aber am Auto an zu setzen bspw. generelles Tempo 30, Außenairbags, autofreie Innenstädte… fordert und rät bspw. der ADAC: Radler sollen sich schützen.
So gilt Fahrrad fahren als gefährlich, Auto fahren dagegen steht für Komfort, Erfolg und Sicherheit. Das meine ich mit „Autonormativität“, so wird und bleibt der Pkw Verkehrsmittel Nummer eins!
Fakten?
Ungeachtet dessen scheitern die meisten Studien daran, den anzunehmenden positiven Helm-Effekt auf die Sicherheit von Radfahrenden unter Beweis zu stellen, wie bspw. der Greifswalder Unfallforscher Dr. Uli Schmucker in einem Vortrag bei der DVWG erläuterte. Sei es weil Helme bei den meisten Unfällen (bspw. mit einem abbiegenden Lkw) nicht helfen, oder weil ein Helm dazu führt, dass alle Verkehrsteilnehmenden wegen des scheinbaren Schutzes mehr Risiko eingehen (so genannte Risiko-Homöostase wurde bspw. nach Einführung von ABS nachgewiesen). Es ist durchaus rätselhaft. Fakt ist dagegen: Länder mit Helmpflicht sind meistens Fahrrad-Entwicklungsländer, die damit den Radverkehr vollends abwürgen. Länder, in denen der Radverkehr relativ sicher ist, wie bspw. Holland haben dagegen keine Helmpflicht.
Nun mal zum Titel: Kosten einer Helmpflicht!
Die meisten sind sich einig, bessere Radanlagen machen den Radverkehr sicherer. Aber die Anlagen kosten Geld und das ist knapp. Auch die Helmpflicht soll ja den Radverkehr sicherer machen. Was also kostet die Helmpflicht? Sagen wir für Deutschland (und in der Klammer: für Berlin).
Annahme: Ein Helm kostet 25€, und hält vier Jahre, kostete jeden Radfahrenden also im Schnitt 6,25€ pro Jahr. 60 Millionen Menschen in Deutschland müssen einen Helm kaufen (Berlin 3 Millionen), 20 Millionen fahren kein Fahrrad (ca. 0,5 Millionen in Berlin). In vier Jahren würden volkswirtschaftliche Kosten von 1,5 Milliarden € anfallen (Berlin: 75 Millionen). Pro Jahr 375 Millionen Euro (Berlin: 18,75 Millionen)
Im Vergleich:
- Geplante Ausgaben des Bundes für Radverkehrsanlagen 2012 60 Millionen (=1€ pro Jahr und Radfahrenden)
- Berlin 2011 5 Millionen im Jahr (ca. 2€ pro Jahr und Radfahrenden in Berlin)
- Radverkehrsausgaben für ein_e Berliner_in 3€ im Jahr
Fazit: Radverkehrsabgabe statt Helmpflicht!
Die volkswirtschaftlichen Kosten einer Helmpflicht sind (für Berlin) gut doppelt so hoch, wie die gesamten Ausgaben von Bund und Land für den Radverkehr. Das ist volkswirtschaftlicher Irrsinn (genauso wie 3€ im Jahr irrsinnig wenig Geld für den Radverkehr ist)! Würde man statt Helmpflicht eine pro-Kopf Abgabe für die Förderung des Radverkehrs einführen und sie auf die 6,25€ pro Jahr ansetzen, hätte man also gut doppelt so viel Geld für den Ausbau und Aufbau sicherer Radverkehrsanlagen. Mehr Leute würden statt Auto Rad fahren, was gut für Umwelt und die Sicherheit des Verkehrssystems insgesamt ist. Und nun frage man mal eine Verkehrsfachfrau oder einen Unfallspezialisten wie viele Leben man damit retten kann?
Des e-Rad Hafens steile These: Mehr als mit der Helmpflicht!
Mehr zu Thema Helmpflicht
- Ein gut recherchierter Spiegel Online Artikel zur Wirksamkeit einer Helmpflicht für Radfahrer_innen (erschienen 6/2013)
- Wer keinen Fahrradhelm trägt hat selbst Schuld?
- Helme auch für Autofahrende?
e-Rad Hafen zum Thema Radpolitik
- Sinn und Unsinn der 250 Watt Regelung für Pedelecs
- Bericht vom Nationalen Radverkehrskongress 2013
- Fahrradfahren in Holland und Deutschland – Radkonferenz in der holländischen Botschaft
- Für eine ganz andere (E)-Fahrradpolitik
- Pedelecs und Klimawirksamkeit
- Memorandum zur dänischen Ratspräsidentschaft
- Potential von Pedelecs fürs Pendeln
Ich fahre mit Helm, weil ich mich damit sicherer fühle. Bei einem Unfall vor 3 Jahren hat er schlimmere Verletzungen vermieden. Natürlich hat der Schutz seine Grenzen. Irgendwann geht auch ein Helm kaputt. Eine Helmpflicht halte ich nicht für gut. Jeder sollte hier frei entscheiden können. Reguliert wird eh schon genug. Jeder Radler muss hier sein Risiko selbst einschätzen. Ich würde jedoch jedem einen Helm dringend empfehlen. Im Gitterbett lässt es sich schwer radeln.
Ich fahre mit Helm, weil ich mich damit sicherer fühle. Bei einem Unfall vor 3 Jahren hat er schlimmere Verletzungen vermieden. Natürlich hat der Schutz seine Grenzen. Irgendwann geht auch ein Helm kaputt. Eine Helmpflicht halte ich nicht für gut. Jeder sollte hier frei entscheiden können. Reguliert wird eh schon genug. Jeder Radler muss hier sein Risiko selbst einschätzen. Ich würde jedoch jedem einen Helm dringend empfehlen. Im Gitterbett lässt es sich schwer radeln.
Ich fahre ohne Helm.
1. Ich lande nicht auf dem Kopf, sondern stürze kontrolliert. Ich bin schon öfter mal kopfüber übers Lenkrad gestürzt und bin dann auf den Unterarmen gelandet.
2. Ich bin Brillenträger. Die Riemen des Helms drücken gegen die Bügel. Die Brille steht dann ein wenig schief und ich bekomme Kopfschmerzen und Sehproblem.
„zum glück zwingen“: = „…ismus“! staatlicher paternalismus, recht typisch deutsch…, totalitär! „dislike“!
Hi Wolfgang,
es steht ja jedem frei einen Helm zu tragen. Allerdings hinkt der Vergleich zur Gurttragepflicht schon erheblich: Schon ab 30km/h hat man bei einer Vollbremsung keine Chance mehr sich ohne Gurt zu halten, von schleudernden Autos oder Auffahrunfällen ganz zu schweigen – kurz: In praktisch allen Fällen einer starken Bremsung oder eines Unfalls ist der Gurt 100% Vorteil. Die Fälle, in denen ein Gurt eingeklemmt sein kann und man bspw. nach einem Unfall nicht aus einem Autowrack herauskommt sind dagegen sehr sehr selten.
Bei Fahrradhelmen, so fair muss man sein, ist die Lage eben deutlich unklarer – die oben verlinkten Aritkel diskutieren diese Tatsache: Helmtragen führt empirisch nicht zu mehr Sicherheit für Radfahrende.
Und dass es nicht immer das „böse Auto“ ist, ist doch klar, das sagt ja auch niemand – Unfälle mit Pkw oder Lkw sind eben die HÄUFIGSTE Ursache für schwere Verletzungen/Tod von Radfahrenden und meist sind nicht die Radfahrenden hauptschuldig. Trotzdem gibt es auch sehr viele schwere „Allein-Unfälle“von Radfahrenden.
Ich sehe da weder einen Widerspruch noch Grund für Polemik – man sollte aber die Zahlen und Fakten zur Kenntnis nehmen.
Beste Grüße
e-Rad Hafen
Ob Pflicht oder nicht… wenn ich, als ich damals mit 18 zu schnell mit meinem Rad in eine Kurve gefahren bin, einen Helm getragen hätte, würde ich mich seit dem wohl nicht ab und zu über Kopfschmerzen beklagen müssen.
Daher trage ich heute IMMER einen Helm beim Radfahren und erwarte es auch von meinem Sohn.
Mein Unfall ist übrigens ganz ohne Einfluss eines (bösen) Autos zustande gekommen.
Manchmal muss der Staat das Volk zum Glück zwingen, wie damals bei der Gurttragepflicht.